Enttäuschung 
 
Ich bin enttäuscht!
Wie oft sagt man diesen Satz?
Wie schnell sagt man diesen kleinen Satz?
Und vor allem, weshalb sagt man diesen Satz?
Weshalb kann ich von jemandem oder einer Sache enttäuscht sein,
weshalb kann jemand von mir enttäuscht sein?
Enttäuscht sein kann ich doch nur dann von jemandem, wenn ich gewisse Erwartungen an jemanden hatte.
Von einer Sache kann ich nur enttäuscht sein, wenn ich etwas anderes erwartet hatte.
Sind nicht dann Enttäuschungen und Erwartungen ganz nahe beieinander anzusiedeln?
Und kann ich nicht nur dann wirklich von jemandem enttäuscht sein, wenn ich ihn kenne, anders einschätze?
Oder lasse ich es zu, daß ich oder andere mir ein Bild vorgaukeln, von einem anderen Menschen, von einer zu erwartenden Sache, das gar nicht zutrifft? Und ich bin dann enttäuscht, daß dieses Bild so nicht stimmt?
Provozieren wir nicht immer größere Enttäuschungen, je höher wir die Erwartungen stecken, die wir von einer Person, einer Sache haben, oder die wir in jemandem von uns wecken?
Sind wir es nicht dadurch oft selber Schuld, daß die Menschen um uns herum enttäuscht sind, wenn wir in ihnen bewußt so hohe Erwartungen wecken, die wir doch nie erfüllen können?
Und wenn wir von jemandem enttäuscht sind, zeigt das nicht, daß uns dieser Jemand doch in irgendeiner Weise am Herzen gelegen hat, auch wenn es nur ein "entfernter Bekannter" war, den wir kaum kennen, aber von dem wir etwas anderes erwartet haben?
Der Satz "Ich bin enttäuscht" zeigt also demnach auch, wie sehr wir selber uns in unseren Erwartungen getäuscht haben.
Zeigt unseren Irrtum.
Zeigt unser eigenes Unvermögen in dieser Sache.
Und trotzdem schieben wir die Enttäuschung auf den anderen, denn der andere hat die Ewartungen nicht erfüllt.
Die Erwartungen, die wir hatten, aus welchem Grund auch immer.
Dabei müßten wir da eher sagen, daß wir von unserem eigenen Verhalten enttäuscht sind, weil wir so sehr an etwas festhielten, das so nie vorhanden war.
Und doch von uns erwartet wurde.
Weil wir es so wollten, uns so erhofften.
Erwartet man nicht zuviel von einer Sache, einem Menschen, seinem eigenen Ich, so kann man auch nicht so sehr enttäuscht werden, und es bleibt einem viel Schmerz erspart.
Doch dahin kommen, das ist ein langer Weg.
Ein Weg, auf dem man oft enttäuscht wird......
 

© Gila Holler (28.06.2003, 15:20 Uhr)

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